Liebe Pilger und Pilgerinnen
ich möchte Euch erzählen ...
Assisi 2. September 2015
Bericht: 5 Jahre seit der Schließung der Pilgerherberge "La perfetta letizia" ... und 5 Jahre Suche nach einer neuen Herberge in der Hoffnung auf Eröffnung von "La Ruah"
Ein Krieger des Lichts befolgt die wichtigste Lehre des I Ging: »Die Beharrlichkeit ist günstig.«
Er weiß, dass Beharrlichkeit nichts mit Trotz zu tun hat. Es gibt Zeiten, in denen die Kämpfe sich unnötig hinziehen, an seinen Kräften zehren und seine Begeisterung dahinschwindet.
In diesen Augenblicken denkt der Krieger nach: »Ein Krieg, der zu lange dauert, vermag am Ende sogar das Land, das gesiegt hat, zu zerstören.«
Daher zieht er seine Kräfte vom Schlachtfeld ab und gewährt sich eine Waffenpause. Er bleibt beharrlich im Wollen, doch weiß er den besten Augenblick für einen neuerlichen Angriff abzuwarten.
Ein Krieger kehrt immer zum Kampf zurück. Allerdings nicht aus Trotz, sondern weil sich das Blatt gewendet hat.
Aus „Krieger des Lichts“ von Paulo Coelho
Liebe Pilgerinnen und Pilger,
mit diesem Zitat beginne ich meinen Bericht. Er verdeutlicht die Situation, in der ich mich befinde, 20 Tage nach dem Ende des Crowdfundng-Projekts, mit dessen Hilfe wir versucht haben, die Pilgerherberge „La Ruah“ zu erwerben.
Manche können sich nicht vorstellen, dass die Suche nach einer neuen Herberge solch eine kräftezehrende Angelegenheit ist. Man könnte auch den Eindruck haben, dass wir fixiert waren auf dieses Haus, das schon in so erreichbarer Nähe schien, war es doch das beste von all denen, die wir angeschaut hatten.
Es waren 5 Jahre voll leidenschaftlichen Einsatzes, und das Ziel schien so nahe, dass wir schon eine Flasche Prosecco im Eisschrank hatten, jederzeit bereit um anzustoßen und zu feiern...
Aber es hat nicht gereicht, wir haben die nötige Spendensumme nicht zusammen bekommen, und das war unsere letzte Hoffnung.
Doch nun der Reihe nach:
2010, im Mai: Der damalige Provinzial der Franziskaner von S.Maria degli Angeli teilt mir mit, dass die Herberge „La perfetta letizia“ im Oktober für immer geschlossen werden muss. Das war wie ein Blitz aus heiterem Himmel, denn die Herberge lief sehr gut und hatte den allerbesten Ruf, und für die Franziskaner war sie mit keinerlei Kosten verbunden, im Gegenteil, es gab sogar Spenden für gemeinsame Projekte.
Bis zum heutigen Tag wurde der wahre Grund für die Schließung nicht benannt. Es liegt nahe anzunehmen, dass es um Rechtsstreitigkeiten in der Namensgebung für den Pilgerweg ging, in die auch die Region Umbrien, die Region Latium und L´Opera Romana verwickelt waren, die ihren eigenen Franziskus-Pilgerweg herausbringen wollten, und die auf Druck der Europäischen Gemeinschaft und mit deren Subvention einer Namensänderung des Weges zustimmen sollten. Jedenfalls ist im Frühjahr 2011 ihr eigener Pilgerausweis herausgekommen mit eigenem Logo für den „Via di Francesco“, Nun, man braucht nicht viel Fantasie um eins uns eins zusammen zu zählen.
All dies ist eine lang zurück liegende, sehr bittere Geschichte.
Wenn man mit ansehen muss, wie einem Projekt, in das man all seine Energie gesteckt hat und das so gut gelaufen ist, plötzlich der Boden unter den Füssen weggezogen wird, dann ist das ein Schmerz, den man zwar überwinden kann, dessen Narben aber immer bleiben werden.
2010, im Herbst: Kurz vor der Schließung der alten Herberge erfahre ich von einem Haus am Fuß des Hügels von Assisi, ganz in der Nähe von dort, wo ich wohne und direkt am Pilgerweg. Ich hatte es schon zuvor wahrgenommen, immer war es verschlossen und leer, dieses Haus, so wusste ich, würde sich perfekt für eine neue Herberge eignen. Der Verein „Associazione Amici del Cammino di qui passò Francesco” wurde gegründet und erste Kontakte mit den Besitzern geknüpft. Sie hatten das Haus von ihrem Vater geerbt, der in Assisi vernarrt gewesen war. Schon seit einigen Jahren stand das Haus wohl zum Verkauf, eine Vermietung stand nicht zur Diskussion.
Als Verein machen wir den Vorschlag 50.000.€ sofort zu bezahlen (mit Hilfe von großzügigen Freunden hätten wir diese Leihgabe innerhalb eines Nachmittags zusammen gehabt!), und dann für zwei Jahre lang eine monatliche Miete von 1500 € zu überweisen, sozusagen ein Mietkauf. Sollten wir bis dahin den Kaufpreis nicht zusammen bekommen haben, so wären wir wieder gegangen.
Sie verlangten 750.000€ und wir waren überzeugt (und das ist auch jetzt noch meine Meinung), dass wenn erst einmal der Herbergsbetrieb angelaufen wäre, wir das Geld hätten zusammen bekommen können. Nach einigen guten Gesprächen und des Lobes voll für unser Vorhaben, ...haben sie dann doch abgesagt, weil man ihnen davon abgeraten hatte sich auf „so etwas“ einzulassen.
2011 Ich mache mich auf die Suche nach anderen Häusern, Assisi und das Umland ist voll von leerstehenden Gebäuden, aber ohne Erfolg. Ein Haus am Hang des Monte Subasio wäre infrage gekommen, es gab Verhandlungen mit den Besitzern, aber es lag ziemlich außerhalb mit langem Anstieg. Alles andere, was ich angeschaut hatte, war entweder zu sehr inmitten von anderen Häusern (man braucht für so eine Herberge etwas freien Platz), oder war zu klein. Und wir wollten auf jeden Fall den Pfadfindern die Gelegenheit geben um die Herberge herum ihre Zelten aufzustellen, in ganz Assisi gibt es keinen Quadratmeter Platz für sie, und wir wollten da einen Unterschied machen.
Oder aber ich bin gar nicht so weit gekommen Häuser besichtigen zu dürfen, wie z.B. ein Haus mit drei Stockwerken in optimaler Lage, das inzwischen immer mehr verfällt. Auch habe ich mich an eine religiöse Gemeinschaft gewandt, die im Umland einige Häuser besitzt, aber nichts, sie lassen sie lieber verfallen... Auch die Immobiliengesellschaften der Umgebung wissen seit Jahren um meine Suche.
2012 , im Februar: Über eine Freundin lerne ich einen reichen Unternehmer aus Mailand kennen, er würde uns helfen, kommt mit seiner Familie um das erste Haus anzuschauen, und sie sind begeistert. Wir träumen große Träume zusammen, er macht den Besitzern einen Vorschlag: Ein Tausch des Hauses gegen zwei Appartements in einem Touristenort in Sardinien plus ein Mini-Appartement in Mailand...aber den Besitzern gefällt der Vorschlag nicht...und der Prosecco bleibt im Kühlschrank.
2013 Erneut rufe ich den Unternehmer aus Mailand an und frage ihn ob er nicht noch einen besseren Tauschvorschlag parat hat, und er sagt: „Mach einen Termin mit den Besitzern aus, du wirst sehen, dieses Mal können sie das Angebot nicht ausschlagen!“
Wir treffen uns in der Stadt, in der sie wohnen und er kommt mit einem Vorschlag, nach dem sich wohl jeder andere alle zehn Finger geleckt hätte: Ein Appartement mit 140 qm mitten im Zentrum von Mailand inklusive Garage, in einem bekannten Viertel, 10 Fußminuten vom Dom entfernt. Wir schweben vor Glück, dieses Mal, so dachten wir, schaffen wir`s! Aber die Besitzer schlagen diesen unglaublich attraktiven Vorschlag wieder aus, und innerhalb von 4 Monaten hat der Unternehmer das Appartement zu einem Preis von 1 Mio € anderweitig verkauft.
2014 Auf einer Deutschlandreise mit dem Ziel weitere Möglichkeiten für den Kauf des Hauses zu überlegen entsteht die Idee eines Crowdfundings.
2015 Das Crowdfunding-Projekt geht im April an den Start. Die Banca Etica in Rom unterstützt unsere Idee und macht uns das Angebot, nach einem zu erreichenden Sockelbetrag von 300.000€ die restlichen 500.000€ als Darlehen zu gewähren.
Alles sieht nach einer gewaltigen Kraftanstrengung aus, aber wir hängen uns mit all unserer Energie rein. Zwei Probleme gilt es zu lösen: 1. Wie schaffen wir es eine maximale Unterstützerzahl zu erreichen? 2. Ein Crowdfunding-Projekt ist immer zeitlich limitiert, in unserem Fall sind es vier Monate, das ist wenig Zeit für ein Projekt diesen Ausmaßes.
Und jetzt, wo die Menschen so nach und nach darum wissen, ist es zu Ende. Es sind 40.451€ zusammen gekommen, das ist zwar für einen so kleinen Verein, wie wir es sind, nicht schlecht, noch dazu für die kurze Laufzeit des Projekts und ohne öffentliche Werbekanäle nutzen zu können....aber es reicht eben leider nicht aus!
So möchte ich nun ganz offiziell im Namen des Vereins „ der Freunde des Pilgerweges „di qui passò Francesco“ sowie auch ganz persönlich aus der Tiefe meines Herzens allen, die an die Realisierung des Projekts geglaubt haben und großzügig gespendet haben, meine allerherzlichsten Dank aussprechen.
Ich bin dabei, nach und nach alle anzuschreiben und zu fragen, ob sie ihre Spende trotzdem auf dem Konto des Vereins belassen wollen um damit dem, was zukünftig noch geschehen kann, Unterstützung Glauben zu schenken. Der Verein hat viele Ausgaben, die in Zusammenhang mit dem Pilgerweg stehen, und außerdem bekomme ich vom Verein sein 2 Jahren monatlich eine Aufwandsentschädigung von 600,-€+Miete+NK. Meine Wohnung ist gleichzeitig auch Sitz des Vereins. Dieses Geld war als Übergangsgeld gedacht, bis zu meinem Einsatz in der neuen Herberge. Ich habe weder eine Rente noch anderweitige Unterhaltsmöglichkeiten, und meine Arbeit für den Pilgerweg und die Pilger ist ein Vollzeitjob, der mich seit 11 Jahren vollkommen in Anspruch nimmt. Bis jetzt sind alle Leute, die ich angeschrieben habe, sehr großzügig, und was am meisten für mich zählt – sie vertrauen meiner Arbeit und meinem Einsatz, und so weit es in meinen Möglichkeiten steht, versuche ich niemanden zu enttäuschen.
Ein persönliches Wort zum Schluss:
Ich befinde mich an einem Wendepunkt in meinem Leben.
Im Oktober werde ich den einsamen und kargen Cammino della Plata gehen ( Sevilla-Santiago-Meer, 1150 km), um mich wieder zu sammeln und zu Kräften zu kommen. Nach diesen 11Jahren, in denen sich alles um den Pilgerweg, um die Pilgerbücher, die alte Herberge, die Pilger selbst und die zehrende Suche nach einer neuen Herberge drehte.
Ich begebe mich auf den Weg, um eine Antwort auf die Frage zu finden, was die Zukunft von mir will, und ob ein Bleiben in Assisi eher „Trotz als Beharrlichkeit“ wäre , wie Coelho sagen würde.
Mir ist bewusst, was es für Schwierigkeiten mit sich brächte, wenn ich mich für ein Leben in einem anderen Land entscheiden würde, um mir dort eine neue Existenz aufzubauen. Der Pilgerweg würde weiterhin in den Pilgerführern beschrieben, aber er hätte meine Unterstützung nicht mehr. Und glaubt mir, damit würde eine beständige, aufwändige und wichtige Arbeit wegfallen.
Ohne dass jemand die laufend angefragten Pilgerausweise verschickt, ständig auf all die Fragen und Anliegen von Pilgern antwortet, und ohne die laufende Aktualisierung der Website (die ohne die Hilfe meines Freundes Oriano undenkbar wäre), würde der Pilgerweg nur schwer weiter existieren können. Die Bücher allein genügen eben nicht.
So richte ich diese große Frage an den Himmel, es geht um meine ganze bisherige mühselige und wunderbare Mission, von der ich dachte und glaubte, sie würde „meinen letzten irdischen Weg“ ausfüllen.
Als ich zuletzt im Jahr 2002 auf dem Jakobsweg pilgerte, da entstand die Idee des Franziskuswegs. Und so bin ich auch jetzt sicher, dass es auf dem neuen Weg einen neuen Anfang für mich geben wird, vielleicht nicht in der bisherigen Art des „Bücher Schreibens und sich um Pilger kümmern“, nicht um irgendwem vorauszugehen, sondern....?
Ich gehe als einfache Pilgerin, die im Gehen nach Antworten sucht. Inzwischen habe ich meine Pilgerausweise zugeschickt bekommen, und zusammen mit meinem Flugticket nach Sevilla habe ich nun konkrete Dokumente in der Hand. Für mich ein wichtiger Schritt.
Und dann wird man sehen....
Euch allen wünsche ich alles Gute auf all Euren persönlichen Pilgerwegen. Ich sage von Herzen danke für Eure Freundschaft und für all Euer Vertrauen!